„Du kannst doch mit Deiner demenzkranken Mutter nicht mehr in der Weltgeschichte herumfahren!“
Der kluge Ratschlag stammte von einem Familienmitglied, das sich noch nie um meine Mutter gekümmert hatte. „Die gehört doch in ein Heim!“
Mir war klar, dass meine Mutter nicht mehr lange allein zu Hause würde leben können. Gerade deshalb wollte ich noch eine letzte Urlaubswoche mit ihr verbringen. Sie ist ihr ganzes Leben lang gerne und viel gereist. Und sie liebte die Geschichten alter Adelshäuser. Was also lag näher, als eine Woche gemeinsam nach Wien zu fahren.
Doch kann so ein Urlaub auch eine Entspannungszeit für die pflegenden Angehörigen sein? Welche Angebote gibt es und warauf sollten Sie achten?
Selbstorganisierter Urlaub mit Demenzkranken
Wenn Sie Ihre Urlaubsreise komplett selbst organisieren wollen, sollten Sie sich am Urlaubsort gut auskennen. Und Sie sollten die Landessprache sprechen.
Sowohl meine Mutter als auch ich hatten Wien bereits mehrfach besucht. Gemeinsam waren wir noch nie dort. Doch wir liebten beide den gemütlichen Charme der Stadt und ich wusste gut, welche Ecken meine Mutter besonders mochte. Ich mietete uns eine kleine Wohnung in der Stadt – mit zwei Schlafzimmern, um trotz aller Fürsorge einen Rest Privatsphäre zu haben.
Empfehlungen für eine entspannende Auszeit zu zweit
Unterstützen Sie Ihren Angehörigen schon beim Kofferpacken. Durchsichtige Reisebags, in denen der Inhalt schnell erkennbar ist, tragen zu einem geordneten Reisegepäck bei.
Informieren Sie den Pflegedienst und bitten Sie darum, dass Ihnen die Medikamente für den Reisezeitraum in einer Box zusammengestellt werden. Ich habe mir zusätzlich auf dem Mobiltelefon eine Erinnerung eingestellt, damit meine Mutter gut versorgt ist.
Reisen Sie wenn möglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln – so sind Sie entlastet und können besser auf die Bedürfnisse und Stimmungen Ihres Angehörigen eingehen.
Sorgen Sie für eine Struktur, die dem Menschen mit Demenz am Urlaubsort Sicherheit gibt. Das funktioniert in erster Linie durch Mahlzeiten, die immer zu ähnlichen Zeiten in gleicher Weise eingenommen werden. Bei uns war es ein ausgiebiges Frühstück in der Ferienwohnung, ein Besuch eines Caféhauses am frühen Nachmittag und ein frühes Abendessen. Einmal haben wir sogar zusammen gekocht. Wichtig ist auch ein fester Ort, an dem der Angehörige sich entspannen kann und genügend Gelegenheit dazu.
Lassen Sie die Tage langsam angehen. Und finden Sie die richtige Mischung zwischen Anregung und Entspannung. Ich hatte immer ein paar mehr Ideen parat, als wir dann umgesetzt haben. Den Takt hat meine Mutter angegeben. Mal wollte sie shoppen gehen und hatte nach 10 Minuten genug davon, mal haben wir stundenlang auf einer Bank in der Sonne gesessen und spielenden Kindern zugesehen.
Wie meine Mutter fast verloren gegangen wäre
Unbedingt brauchen Sie einen Plan für den Fall, falls die Person mit Demenz verloren geht. Das passiert schneller als mal denkt! Ich stand im Hof des Museumsquartiers um an einem Stand Getränke zu kaufen. Meine Mutter hatte ich mit unseren Taschen an einen freien Tisch gesetzt. Während ich meine Bestellung aufgab, sah ich meine Mutter mit einer Frau sprechen, die in Richtung eines Gebäudes zeigte. Offensichtlich hatte sich meine Mutter nach einer Toilette erkundigt und ging los.
Getränke bezahlen ohne auf Wechselgeld zu warten, hastig die Gläser abstellen, Taschen schnappen, meine Mutter in den Fahrstuhl steigen sehen, der ohne mich losfährt! Auf den nächsten Fahrstuhl warten. Herausfinden, in welcher Etage meine Mutter ausgestiegen sein könnte. Atemlos Personen befragen. Wieder einsteigen. Nächster Stock! Endlich finde ich sie auf der Dachterrasse – etwas hilflos und sehr froh mich zu sehen. Das hätte schief gehen können! Danach hatte sie immer eine Karte mit meiner Handynummer in der Westentasche.
Machen Sie sich klar, dass Sie selbst in erster Linie Betreuungsperson sein werden – und dass die eigene Erholung bei selbstorganisiertem Urlaub mit demenzerkrankten Angehörigen manchmal ziemlich auf der Strecke bleibt.
Ideal ist es, wenn Sie die Möglichkeit haben, eine vertraute Betreuungsperson mit in den Urlaub zu nehmen.
Betreuter Urlaub für Menschen mit Demenz
Wenn Sie selbst auch mal entspannen müssen – und welcher Pflegende muss das nicht – dann planen Sie einen betreuten Urlaub. Solche Angebote gibt es von den regionalen Alzheimer Gesellschaften, von Wohlfahrtsverbänden und Bildungseinrichtungen.
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft veröffentlicht regelmäßig die aktuellen Angebote.
Viele dieser Angebote sind so konzipiert, dass die Pflegenden Angehörigen genügend Erholungszeiten finden, während die Menschen mit Demenz versorgt werden. In vielen Fällen existieren Kooperationen mit Pflegediensten, die falls gewünscht, die Grundpflege übernehmen können. Betreuungsangebote werden entweder stundenweise oder ganztägig angeboten. Die Kosten dafür können auch im Urlaub aus dem Leistungsbudget der Pflegekasse zum Beispiel über die Verhinderungspflege bezahlt werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Demenzerkranke einen Pflegegrad hat. Die Kosten für An- und Abreise, Verpflegung und Unterkunft tragen Sie in jedem Falle selbst.
Je nach Anbieter gibt es auch spezielle Ausflugs- und Entspannungsangebote nur für die pflegenden Angehörigen.
Darauf sollten Sie bei einem betreuten Urlaub mit Demenzkranken achten:
- Handelt es sich um ein Gruppenangebot mit festen An- und Abreisetereminen oder können Sie individuell buchen?
- Wie lang ist die Anreise? Und bietet der Veranstalter einen Fahrservice an?
- Wie sind die Zimmer ausgestattet? Gibt es neben barrierefreien Sanitäranlagen und altersgerechten Betten genügend Platz um sich im Zimmer zu entspannen?
- Welche gemeinsamen Veranstaltungen werden angeboten?
- Sind die Pflege-und Betreuungskräfte zum Umgang mit Menschen mit Demenz speziell geschult?
Kurzurlaub mit Demenz: Organisierte Tagesfahrten
Regionale Reisebüros haben häufig Tagesfahrten in die nähere Umgebung in ihrem Programm.
Die Zeit der Kaffeefahrten und Lama-Decken-Verkäufe ist glücklicherweise vorbei. Heute bieten viele Veranstalter gut durchdachte Tagesouren an. Die Bedürfnisse von Senioren stehen dabei im Mittelpunkt. Ausreichend Pausen für Toilettengänge sind ebenso wichtig wie ein Kulturprogramm, das auf Menschen mit Gehbehinderung Rücksicht nimmt.
Auch das Tempo und die Fülle der Eindrücke sollte auf das Erleben Ihres Angehörigen abgestimmt sein.
Am besten findet man hier den richtigen Anbieter über Mundpropaganda.
Fragen Sie einfach mal in Ihrem Umfeld, in der Beratungsstelle oder in Ihrem Pflegestützpunkt nach entsprechenden Empfehlungen.
Tipps zum Thema Urlaub mit Demenz gibt es übrigens auch in meinem Buch auf den Seiten 142-149!
Aber wenn sie es hinterher sowieso gleich wieder vergessen haben?
Machen wir uns nichts vor. Ja, sie werden es wieder vergessen. Je weiter die Demenz fortgeschrittten ist, um so weniger Erinnerungen lässt das Kurzzeitgedächtnis zu.
Es gibt dennoch ein paar Tricks, um das Urlaubsfeeling zu verlängern: Mitbringsel! Zum Beispiel ein schöner Schal, bei dem Sie ihre Mutter oder ihren Vater immer wieder an die Reise erinnern können. Oder ein Büchlein. Sie wissen sicher selbst am Besten, was Ihr Angehöriger mag.
Wir haben auf der sechsstündigen Rückfahrt im Zug schon mal auf dem Laptop die schönsten Fotos herausgesucht, die ich anschließend als Fotobuch zusammengestellt habe. Das hat meine Mutter noch lange genutzt.
Trotzdem ist heute – drei Jahre später – auch das vergessen und das Buch verloren gegangen. Macht nichts, denke ich. Irgendwie habe ich das alles auch für mich getan.
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Beratung to go
Auch wenn Ihr Angehöriger an Demenz erkrankt ist, können Sie immer noch gemeinsam in den Urlaub fahren.
Bei einem selbstorganisierten Urlaub, in dem Sie selbst alle Aufgaben einer Betreuungsperson übernehmen, werden Sie selbst wenig entspannen können.
Deshalb gibt es zahlreiche Angebote, bei denen der Veranstalter Pflege- und Betreuungsaufgaben an geeignetes Personal überträgt.
Mit kleinen Erinnerungshilfen, zum Beispiel Fotos, können Sie das Urlaubsfeeling auch für den Menschen mit Demenz verlängern.