Lassen Sie uns heute über Körperpflege und Demenz sprechen!
In der Demenzberatung brauche ich jede Menge Fingerspitzengefühl bei diesem Thema! Wenn die Demenz-Erkrankung fortschreitet, verlieren viele Menschen die Fähigkeit, ihre Körperpflege allein und für die Außenwelt zufriedenstellend durchzuführen. Gleichzeitig ist es nicht immer leicht, in diesem sensiblen, intimen Lebensbereich Unterstützung anzubieten oder zu organisieren. Dieser Artikel von Esther Heerema in einem kalifornischen Gesundheitsmagazin hat mich letzte Woche zu einem neuen Blogbeitrag inspiriert.
3 Gründe, warum Körperpflege bei Demenz problematisch wird
Mangelnde Orientierung
Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, wie sehr die Probleme der Körperpflege und der Inkontinenz mit der demenzbedingten Desorientierung verbunden sind und welche einfachen Methoden der Unterstützung es gibt.
Schamgefühl
Menschen mit einem ausgeprägten Schamgefühl kann es peinlich sein, sich mit ihrem faltigen Körper vor anderen Menschen zu zeigen. Gar nicht so selten haben sich Menschen der heutigen älteren Generation niemals nackt vor den eigenen Kindern gezeigt.
Angst
Das Steigen in eine Dusche oder Badewanne wird bei abnehmender Kraft und Beweglichkeit schwieriger. Die berechtigte Angst vor Stürzen wächst. Doch anstatt sich helfen zu lassen, wird auf diese Annehmlichkeiten verzichtet. Einige Menschen entwickeln aufgrund eines traumatischen Vorfalls in der Kindheit im Alter Angst vor Wasser.
Menschen mit Demenz Orientierung im Badezimmer geben
Tritt bei Menschen mit Demenz Inkontinenz auf, wird dieser Umstand oft vorschnell der Krankheit zugeschrieben. Dabei sind zumindest anfangs nicht nur körperliche Symptome die Ursache. Bei allen Menschen wird im Alter das Zeitfenster vom Spüren des Bedürfnisses „ich muss zur Toilette“ bis zum Erreichen des WC kürzer. Wichtig ist also erst einmal, dass das stille Örtchen in möglichst kurzer Zeit gefunden wird.
Der 90jährigen Frau D. passierte es in letzter Zeit immer häufiger, dass sie bei Harndrang aus dem Wohnzimmer anstatt ins Badezimmer in die Küche ihrer kleinen Wohnung lief.
Der Ergotherapeutin, die regelmäßig ins Haus kam, fiel auf, dass Frau D. keine Probleme hatte, das Bad zu finden, wenn sie aus der Küche kam.
Als „Übeltäter“ wurde der gestreifte Läufer im Flur identifiziert, dessen Laufrichtung direkt zur Küchentür wies. Nachdem der Läufer so gelegt wurde, dass die Streifen Richtung Badezimmer zeigten, war das aktuelle Problem gelöst.
Ebenso hilfreich können entsprechende Nachtlichter sein, die auf Bewegung reagieren und den Weg zur Toilette markieren.
Farben und Demenz
Auch Farbkonzepte können die Orientierung im Badezimmer erleichtern. Die Firma Hewi hat gemeinsam mit den Maltesern unter Leitung von Dr. Ursula Sotton eine demenzsensible Badausstattung entworfen. Alles Wichtige, was schnell greifbar sein muss, ist in Rot gehalten. Die Farbe Rot wird sowohl bei Sehbehinderungen als auch bei demenzbedingten Orientierungsstörungen am besten und am längsten wahrgenommen.
Die Zahnbürste ist ebenso rot wie die Haltegriffe, die man im Falle eines Schwindels schnell greifen soll. Auch der Hebel des Wasserhahns, der Toilettendeckel, der Abfallbehälter und andere Accessoires sind in rot gehalten.
Herr S. fand zwar in seiner kleinen Wohnung immer noch das Badezimmer – dort aber nicht mehr die Toilette.
Für seine Tochter war das der Moment, wo er nicht mehr zu Hause leben konnte.
Wir erzählten ihr von Farbkonzepten für Menschen mit Demenz.
Herr S. bekam eine rote Toilettenbrille aus dem Baumarkt und konnte noch 1,5 Jahre zu Hause leben.
Körperhygiene ist auch eine Frage von Zeit und Raum
Und am Samstagabend wird gebadet, hieß es früher, als das Anheizen des Badeofens noch eine Prozedur war. Heute hat sich der zu Pflegende nach dem Zeitplan des Pflegedienstes zu richten.
Da wird schon mal der Dienstagvormittag zum Badetag. Nicht jeder Mensch findet das gut. Denn in der Regel ist Baden für den Körper eine ziemliche Belastung, nach der der alte Mensch eine Ruhepause braucht. Also wenn möglich, verlegen Sie die Badezeit in die Abendstunden. Dann ist auch das Einschlafen leichter.
Gemütlich darf es werden
Ein gemütliches Badezimmer, dass gut aufgewärmt ist, trägt zu einer wohligen Atmosphäre bei. Alte Menschen frieren schneller. Ihr Wohlbefinden sollte der Indikator sein und nicht unsere Idee davon, ab wie viel Grad ein Badezimmer als warm gilt. Detlef Rüsing vom Dialogzentrum Leben im Alter (DZLA) sagt in diesem sehenswerten Video zum Thema Baden/ Duschen bei Demenz den richtigen Satz: „Wer friert hat recht!“
Orientierung
Für die Orientierung im Badezimmerschrank hat eine Freundin ihrem Mann alle Fächer gut sichtbar beschriftet:
- Zähne putzen
- Rasieren
- Hautpflege
- Haare
Auch wenn er selbst inzwischen den Schildchen keine Aufmerksamkeit mehr widmet, so helfen sie inzwischen den Pflegenden, Ordnung zu halten und alles schnell zu finden.
Bequemlichkeit
Ein bequemer Wanneneinstieg, eine ebenerdige Dusche und der kleine Luxus eines gepolsterten! Duschhockers tragen dazu bei, dass sich Menschen bei der Körperpflege wohler fühlen. Ein großes, weiches, vorgewärmtes Handtuch ist eine Wohltat für die empfindliche Haut und sichert zugleich ein klitzekleines bisschen Privatsphäre.
(K)ein bisschen Luxus
Baden war früher Luxus. Normalerweise wusch man sich am Waschbecken mit einem Stück Seife. Das entsprach der Norm. Und so mancher alte Mensch führt für sich diese Gewohnheit wieder ein. Wenn das Ergebnis zufriedenstellend ist, dann darf gerne auf das Baden oder Duschen verzichtet werden.
Andere Menschen genießen es dagegen, lange im warmen Wasser zu liegen. Wie schön, wenn Sie neben der reinen Pflegezeit noch etwas Wohlfühlzeit einplanen können.
Das i-Tüpfelchen für das Bad könnte nun neben einer schönen Duschlotion oder einem angenehmen Duft noch etwas Musik sein. Am Sonntag will mein Süßer mit mir baden geh’n …
Körperpflege ohne Kampf durch die richtige Kommunikation
„Stinke ich etwa?“ pflegt meine Mutter zu sagen, wenn das Gespräch auf das Thema Körperpflege kommt. Wir, die Pflegenden und ich, verwenden ausschließlich positiv besetzte Wörter.
- Sich für den Tag oder für die Nacht vorbereiten
- Gut riechen oder duften
- Sich frisch fühlen
- Gepflegt sein
- „Die Schönste im ganzen Land“ sein
Wie so oft im Umgang mit Menschen mit Demenz müssen wir uns in der Begleitung an das Tempo des Betroffenen anpassen. Im Sinne der person-zentrierten Pflege, dem empfohlenen Pflegekonzept von Tom Kitwood, prüft die Pflegeperson, an welcher Stelle wie viel Unterstützung notwendig ist.
Frau L., deren Mann schon sehr früh an einer Alzheimer-Demenz erkrankte, hatte für sich selbst beschlossen, keine Körperpflege zu übernehmen.
Als sie feststellte, dass er zwar immer noch in die Dusche stieg, dann aber nicht mehr wusste, was zu tun sei, unterstütze sie ihn auf ihre Art.
Sie reichte Shampoo oder Duschgel zu und vollführte eine Art Tanz, mit dem sie die notwendigen Bewegungen vormachte. Das funktionierte eine Weile sehr gut, bis der Pflegebedarf so groß wurde, dass Herr L. nicht mehr zu Hause versorgt werden konnte.
Auch bei der Übernahme der Pflegehandlungen kündigt die Pflegeperson jeden Schritt an. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Person mit Demenz nicht überfordert wird.
Ester Heerema schreibt in ihrem Artikel: „Wenn die Person dazu in der Lage ist, bitten Sie sie, sich selbst zu waschen. Unabhängigkeit kann ein wenig von der Würde wiederherstellen, die verloren geht, wenn Hilfe beim Baden benötigt wird.“
Bei der 94-jährigen Frau M. schien Körperpflege völlig unmöglich zu sein. Es fühlte sich für die Pflegenden jedes Mal nach einem Kampf an und Frau M., die sonst sehr freundlich war, ging in Abwehr, sobald sich ein Pflegender mit der Waschschüssel dem Bett näherte.
In einer Fallbesprechung, an der auch die Tochter von Frau M. teilnehmen durfte, erinnerte sich diese an die Erzählungen ihrer Mutter, dass sie als Kind in einen Teich gefallen und fast ertrunken war.
Konnte das die Ursache sein? Bei genauerer Beobachtung der Abläufe stellte die Pflegerin fest, dass vor allem das Waschen des Gesichts, mit dem man gewöhnlich begann, Auslöser für die Ängste der alten Dame war.
Fortan unterstützten die Pflegenden Frau M. das Waschen des Gesichtes selbst zu übernehmen – oder verzichteten auch einmal darauf, um die restliche Körperpflege durchführen zu können.
Peinliche Situationen können mit Humor überbrückt werden, ohne dass sich der Pflegebedürftige dadurch lächerlich gemacht fühlt. Eine gute Pflegekraft hat darin Erfahrung.
Was Sie sich als Pflegende Angehörige fragen dürfen: Will ich überhaupt pflegen?
Die Unterstützung der Eltern oder des Partners oder der Partnerin ist das Eine. Körperpflege ist noch einmal etwas ganz anderes. Die Übernahme dieser sehr intimen Handlungen muss von beiden Seiten gewollt sein.
Elternpflege
Sie dürfen als Tochter oder Sohn an dieser Stelle „Nein“ sagen, wenn ihnen das unangenehm ist. Schließlich werden auch Sie selbst in diesen Situationen mit Gefühlen wie Scham und Ekel konfrontiert. Diese Gefühle können zu Energie-Räubern werden. Doch Sie brauchen Ihre Kräfte für einen möglicherweise langen Pflegeprozess.
Den Partner oder die Partnerin pflegen
Als Partnerin steht für Sie die Beziehung auf dem Spiel. Hält die Liebe das aus? Wollen Sie aus ihrer Liebesbeziehung eine Pflegebeziehung machen? Von der Ehefrau oder vom Ehemann zur Pflegekraft? Und hätte der oder die Betroffene das so gewollt.
Frau L., die ihren Mann beim Duschen so kreativ unterstützte, sagte einmal in der Beratung den Satz: „Ich habe Angst vor dem Tag, an dem ich beginne, meinen Mann zu hassen.“
In meinem Buch „Es ist nicht alles Demenz“ finden Sie Anregungen, wie Sie am Beginn der Erkrankung, wenn der Betroffene noch selbstbestimmt entscheiden kann, sensibel darüber sprechen können, wie die Körperpflege im fortgeschrittenen Stadium stattfinden soll. Auf der Seite des Ernst Reinhard Verlages können Sie sich eine Liste herunterladen, die Sie bei diesem Gespräch unterstützt.
In meinem Artikel über die Not-To-Do-Liste habe ich schon erzählt, dass ich diese Aufgaben ohne schlechtes Gewissen abgegeben habe. Es bleibt ja auch so ohnehin genügend zu tun.
Und wenn mal gar nichts klappt
Sie kennen das auch aus anderen Bereichen der Begleitung von Menschen mit Demenz – was gestern noch gut funktionierte, geht heute gar nicht mehr.
Seien Sie gnädig mit sich selbst und mit Ihrem Angehörigen. Kein Tag ist wie der andere. Ich wünsche Ihnen ein bisschen mehr Laissez-faire und weniger Kampf bei der Körperpflege bei Ihres demenzerkrankten Angehörigen.
Demenz-Beratung to go
Körperpflege kann bei fortschreitenden Demenz schwierig werden.
- Behalten Sie – wenn möglich – die gewohnten Rituale und Zeiten bei
- Entschärfen Sie Situationen, die für den alten Menschen peinlcih sein können
- Achten Sie auf gute Orientierung und eine gemütliche Atmosphäre im Badezimmer
- Kommunizieren Sie positiv
- Überlegen Sie frühzeitig gemeinsam, wer die Pflege übernehmen soll
Was sind Ihre besten Tipps zur Körperpflege Pflegebedürftiger?
Haben Sie ein Problem auf Ihre Art und Weise gelöst? Kennen Sie ein Produkt, das besonders vertäglich ist?
Schreiben Sie es mir gerne in die. Kommentare.
Und wenn Sie mehr lesen wollen, abonnieren Sie meinen Newsletter.