Tagespflege für Menschen mit Demenz ist ein hilfreiches Angebot, wenn der pflegende Partner oder die Partnerin überlastet ist oder wenn ein alleinlebender Mensch mit Demenz mehr Tagesstruktur benötigt.  Tagespflege sorgt für Struktur, Sicherheit und Entlastung.

Das sollten Sie wissen, wenn Sie nach einem Angebot suchen.

 

1. Was versteht man unter der Tagespflege?

 

Tagespflege gehört nach den Kriterien der Pflegeversicherung zu den teilstationären Angeboten. Ein Teil der Pflege und Betreuung erfolgt stationär, eben in der Tagespflege – den Rest des Tages wird der pflegebedürftige Mensch zu Hause versorgt.

Nicht verwechselt werden sollte „Tagespflege“ mit „Kurzzeitpflege“. Kurzzeitpflege bedeutet, dass die Person für mehrere Tage vollstationär, also 24 Stunden pro Tag versorgt wird.

„Ach, das ist so ein Kindergarten für alte Leute!“ stellen Angehörige oder Bekannte dann manchmal fest. Auch wenn es tatsächlich ein paar Parallelen gibt, rate ich dringend davon ab, solche Formulierungen zu verwenden.

Oder glauben Sie wirklich, Ihr Angehöriger wird sich darauf freuen, noch mal in den Kindergarten geschickt zu werden?

Menschen, die die Tagespflege besuchen werden als Besucher oder Gäste bezeichnet.

 

Wie ist Tagespflege gesetzlich geregelt?

2. Auf welchen Gesetzen und Richtlinien basiert eine Tagespflege?

Der Anspruch auf Tagespflege ist im Sozialgesetzbuch XI im § 41 geregelt.

Pflegebedürftige haben ab Pflegegrad 2 einen Anspruch auf teilstationäre Pflege in Einrichtungen der Tages- oder Nachtpflege, wenn häusliche Pflege nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt werden kann oder wenn dies zur Ergänzung oder Stärkung der häuslichen Pflege erforderlich ist.

Die teilstationäre Pflege umfasst auch den Fahrdienst für den Pflegebedürftigen von der Wohnung zur Einrichtung der Tagespflege und wieder nach Hause.

3. Warum schreibt der Gesetzgeber von Tagespflege und Nachtpflege?

Die Idee des Gesetzgebers ist, dass Menschen mit Demenz, die nachts besonders unruhig sind und deren Angehörige durch damit verbundenen Schlafmangel gesundheitlich stark belastet werden, abends und nachts zu betreuen.

Leider gibt es in der Praxis viel zu wenige Angebote – in Sachsen meines Wissens ein einziges! 

4. Wer übernimmt die Kosten für die Tagespflege?

Ab Pflegegrad 2 haben Pflegebedürftige Anspruch auf Übernahme der pflegebedingten Kosten.

✳️ bei Pflegegrad 2 einen Gesamtwert bis zu 689 Euro,

✳️ bei Pflegegrad 3 einen Gesamtwert bis zu 1 298 Euro,

✳️ bei Pflegegrad 4 einen Gesamtwert bis zu 1 612 Euro,

✳️ bei Pflegegrad 5 einen Gesamtwert bis zu 1 995 Euro.

Je nach Einrichtung und Pflegegrad müssen Sie mit einem Tagesbetrag für Pflege, Fahrdienst und Ausbildungszuschlag in Höhe von 40 bis ca. 90 Euro rechnen.

Dazu kommt ein Eigenanteil für Verpflegung, Unterkunft und Investitionskosten..

 Auch Menschen mit Pflegegrad 1 können als Selbstzahler*innen eine Tagespflege besuchen. Sie können dafür den Entlastungsbetrag in Höhe von 125,00 Euro/Monat einsetzen. ✳️ Ich würde in diesem Falle immer dazu raten, eine Höherstufung beim MDK zu beantragen.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für Tagespflege für Menschen mit Demenz

5. Wann ist der richtige Zeitpunkt für Tagespflege?

Die Diagnose Demenz bedeutet nicht zwangsläufig, dass ein Menschen nun nicht mehr zu Hause bleiben kann, egal ob alleinlebend oder mit Partner oder Partnerin. 

In vielen Fällen geht die Tagesstruktur für die Betroffenen nach und nach verloren – oder sie muss durch Angehörige aufrecht erhalten werden. Nach meiner Erfahrung halten Menschen mit Demenz ein bestimmtes Maß an Chaos aus.

Ein Langschläferfrühstück um elf und Mittagessen kalt und um 15 Uhr sind kein Grund, Maßnahmen zu ergreifen – solange der Tag- und Nachtrhythmus nicht gefährlich gestört ist und ihr Angehöriger beispielsweise mitternachts Spaziergänge unternimmt.

Gründe, die für einen Besuch der Tagespflege sprechen, sind:

Die Person mit Demenz …

✅ fühlt sich einsam

✅ wünscht sich Anregung und Unterhaltung

✅ möchte gut versorgt werden (das passt häufiger auf alleinlebende Männer)

✅ muss an die Einnahme der Mahlzeiten und ans Trinken ständig erinnert werden, weil sie sonst vergisst zu essen und zu trinken

✅ braucht mehr Betreuungszeiten, als die Angehörigen oder ehrenamtliche Helfer*innen leisten können.

✅ begeht aufgrund der fortgeschrittenen Erkrankung fatale Fehlhandlungen (sich häufig aus der Wohnung aussperren, Wasser überlaufen lassen o. ä.)

 

Der pflegende Angehörige …

✅ ist durch die Pflege stark belastet und muss auf seine Gesundheit achten.

✅ ist nicht in der Lage demenz-gerecht zu kommunizieren oder aktivierende Angebote zu machen. (Bitte werten Sie diese Tatsache nicht. Menschen, die schon sehr lange zusammen leben, können sich schwer darauf einstellen, dass durch die Krankheit so vieles anders wird. Für sie ist es ein langer Lernprozess, der Zeit und Begleitung braucht!)

✅ kann die Betreuung nicht im notwendigen Umfang übernehmen.

 

Der Vorteil einer Tagespflege ist, dass der Mensch mit Demenz weiterhin in seiner gewohnten Umgebung bleiben kann, tagsüber gut versorgt ist, der Partner oder die Partnerin teilweise entlastet sind und Kraft schöpfen können und die Pflege und Betreuung zu Hause noch eine Weile gut funktionieren kann.

Durch regelmäßige soziale Kontakte und passende aktivierende Tätigkeiten bleiben Menschen mit Demenz länger aktiv. Das wiederum trainiert ihre Selbstständigkeit. Gut erhaltene Fähigkeiten und Fertigkeiten tragen dazu bei, dass Menschen mit Demenz länger im gewohnten Umfeld verbleiben können.

Bei alleinlebenden Menschen muss auch nach dem Besuch der Tagespflege die (Selbst-)Versorgung am Abend, nachts und am Wochenende gesichert sein.

Manchmal ist Tagespflege keine passende Lösung

Ja, auch das gibt es. In letztes Instanz entscheidet die Einrichtung selbst, wer als Tagesgast kommen darf und wer nicht.

Gerade bei Personen mit einer hohen Weglauftendenz oder sehr aggressivem Verhalten sind die Mitarbeitenden der Tagespflege häufig überfordert.

Es gibt nicht genug Personal, um sicherzustellen, dass ein Mensch mit Hinlauftendenz oder Weglauftendenz oder einfach nur Lauftendenz genügend beaufsichtigt und individuell betreut wird.

Und bei Menschen mit nicht steuerbarem verbal oder aktiv aggressivem Verhalten hat der Betreiber zusätzlich die Pflicht, die anderen Tagesgäste zu schützen.

Kommt solch ein Verhalten einmalig vor, macht es Sinn, mit dem Instrument des personzentrierten Ansatzes nach den Ursachen zu suchen.

Wie verläuft ein Tag in der Tagespflege für Menschen mit Demenz?

6. Wie verläuft ein Tag in der Tagespflege?

Zunächst wird der Fahrdienst der Tagespflege-Einrichtung Ihren Angehörigen morgens von zu Hause abholen.

In der Einrichtung erhalten die etwa 12-18 Tagesgäste ein zweites Frühstück.

Geschulte Betreuungskräfte bieten ein vielseitiges, unterhaltsames Beschäftigungsangebot, dass sie auf ihre Tagesgäste abstimmen. Es gibt zum Beispiel oft

  • Zeitungsschau/Vorlesen aus der Tageszeitung
  • Seniorensport
  • Gedächtnistraining
  • Spiele
  • Singerunden

Ideal ist es, wenn es einen Garten oder Tiere gibt.

Herr H. mochte nicht so gern in die Tagespflege gehen. Als ihm, als passioniertem Gärtner, das Gießen der Blumenrabatte übertragen wurde, war der Besuch der Einrichtung kein Problem mehr.

Auch Pflegeleistungen wie Duschen oder Baden können in einigen Einrichtungen vereinbart werden.

Nach dem gemeinsamen Mittagessen dürfen sich die Besucher eine Pause gönnen. Dazu stehen in besonderen Räumen Schlafsessel und Liegen zur Verfügung.

Für Menschen, die nicht oder wenig schlafen, gibt es ein weiteres Beschäftigungsangebot.

Dann ist es auch schon Zeit fürs Kaffeetrinken, bevor die Tagesgäste vom Fahrdienst wieder zurück nach Hause gebracht werden.

 

7. Wie kommt man an einen Platz in der Tagespflege?

Erkundigen Sie sich im Pflegestützpunkt oder bei Ihrer regionalen Alzheimer-Gesellschaft, wo es im Umkreis Tagespflege-Einrichtungen gibt. Auch die Mitarbeiterinnen des Sozialamtes können darüber Auskunft geben.

In Sachsen finden sich alle Einrichtungen in der Pflege-Datenbank. Dort können Sie direkt im Umkreis suchen.

Obwohl dem Versicherten ab Pflegegrad 2 finanzielle Unterstützung für den Besuch der Tagespflege zusteht, verlangen einige Kassen eine Extra-Beantragung auf der auch in einem Abschnitt begründet werden soll, warum Sie dieses Angebot wählen.

Machen Sie sich klar, dass Sie hier keine Bittstellerin sind, sondern eine Leistung in Anspruch nehmen, die Ihnen zusteht und letztendlich dazu beiträgt, dass die Person mit Demenz länger zu Hause gepflegt werden kann!

 

Darauf sollten Sie bei Auswahl der Tagespflege achten

8. Worauf sollten Sie bei der Auswahl der Tagespflege für Menschen mit Demenz achten?

Jeder Mensch ist anders. Und jede Tagespflege ist anders. Es ist gut, wenn Sie sich vorab ein paar Gedanken machen. Schauen Sie sich die Angebote im Umkreis an und entscheiden Sie dann ganz in Ruhe.

Sie sollten schon beim ersten Telefonat und erst recht bei einem ersten Gespräch vor Ort ein gutes Gefühl haben.  

✅ Ist ein*e Ansprechpartner*in für Sie zu festen Zeiten gut erreichbar?

✅ Wirken die Pflegekräfte so, als ob ihnen die Arbeit Freude macht (oder ist ihnen alles irgendwie zu viel)?

✅ Ist die Kommunikation freundlich bis herzlich oder eher kühl?

✅ Haben Sie das Gefühl, dass auch die Tagesgäste miteinander kommunizieren?

✅ Welche Beschäftigung wird gerade angeboten?

✅ Gibt es besondere Angebote für Männer oder für Frauen, für jüngere erkrankte Menschen oder für Personen mit bestimmten Hobbys? Nicht immer sind die Angebote der Einrichtung für alle geeignet.

✅ Falls das für Sie relevant ist: Fragen Sie ruhig, an welchen Tagen viele Männer/oder viele jüngere Menschen da sind und ob es an diesen Tagen männertypische Angebote gibt, zum Beispiel: gemeinsames Handwerken.

✅ Wie lange wird Ihr Angehöriger mit dem Fahrdienst unterwegs sein?

Sprechen Sie offen darüber, wenn Sie befürchten, dass Ihr Angehöriger ein Läufertyp ist und versuchen wird die Einrichtung zu verlassen. Auch andere Verhaltensweisen, die in der Gemeinschaft kritisch sein können, sollten sie ansprechen.

Frau H. wusste, dass ihr Mann sehr eigensinnig sein konnte und wollte Eskalationen vermeiden. Sie schrieb die validierenden Sätze, die ihren Mann beruhigten auf kleine Kärtchen und übergab diese an jede Pflegekraft. 

❌ Was Sie nicht negativ bewerten sollten:

Eine Person sitzt ganz alleine abseits in einem Sessel/an einem kleinen Tisch, während alle anderen Tagesgäste an einem Beschäftigungsangebot teilnehmen. Möglicherweise braucht diese Person einfach mehr Ruhe. Teilweise ist es sogar hilfreich, wenn eine unruhige Person einen separaten Platz während der Mahlzeiten einnimmt.

Eine gute Tagespflege wird Ihrem Angehörigen einen Besuch zur Probe anbieten. So können sich alle Beteiligten unverbindlich kennenlernen.

 

Angehöriger will nicht in die Tagespflege gehen

9. Was können Sie tun, wenn Ihr Angehöriger das Angebot ablehnt?

Häufig lehnen ältere Menschen (mit und ohne Demenz) alle Unterstützungsangebote ab.

Doch die Haltung „Das brauche ich nicht – ich komme alleine gut zurecht!“ bedeutet am Ende oft, dass die Hilfsangebote der Angehörigen erweitert werden müssen: Das brauche ich nicht, meine Tochter macht’s schon irgendwie …

 

So können Sie vorgehen:

✅ Vereinbaren Sie zunächst einen Besuch auf Probe.

✅ Besprechen Sie mit der Einrichtung, ob es einen Tag gibt, der besonders geeignet ist, weil beispielsweise besonders viele Männer oder viele jüngere Menschen mit Demenz da sind.
✅ Fragen Sie, wer in der Nachbarschaft oder im Freundeskreis positive Erfahrungen gemacht hat.

✅ Vereinbaren Sie für eine Übergangszeit einen „Halbtagsbesuch“ und holen Sie ihren Angehörigen mittags wieder ab, ehe ihm alles zu viel wird.

✅ Beginnen Sie mit einem Tag pro Woche und erhöhen Sie die Anzahl der Betreuungstage schrittweise.

✅ Gestehen Sie sich zu, dass es manchmal keine Lösung gibt, mit der alle Beteiligten rundum zufrieden sind. Kompromisse dürfen nicht immer zu Lasten des Pflegenden gehen, wenn der Erkrankte alle Angebote ablehnt.

 

Was Angehörige sagen:

Ein Leser schreibt: „Meine Frau geht mittlerweile 5 x in der Woche von 8 bis 16 Uhr in die Tagespflege. Das ist eine immense Erleichterung für mich und sie freut sich. Sie besucht die Tagespflege seit 2 Jahren. Zu Beginn waren es 1 Tag, dann 2 usw. Erst nur vormittags bis nach dem Essen und jetzt bis nach dem Kaffee. Sie ging von Beginn an sehr gerne dorthin. Wir haben sie eben langsam dahin geführt. Mittlerweile, wenn ich sie abhole, möchte sie nicht mehr so gerne nach Hause.

 

Eine Ehefrau schreibt: „Mein Mann sträubte sich ein halbes Jahr mit ausführlichem Schimpfen im Auto auf dem Weg dorthin. Er wollte sogar unterm Fahren aus dem Auto aussteigen. Da ich unbedingt weiter zur Arbeit gehen wollte, gab es keine andere Option, als durchzuhalten. Letztlich hab ich es ihm als seine Arbeit verkauft, da er ja noch längst nicht im Rentenalter war. Ich muss arbeiten und er auch.

Irgendwann war Ruhe. Kann also nur empfehlen, stur zu bleiben …“

 

Eine Tochter schreibt: „Ich mache mir Sorgen. Mama denkt, dass sie und Papa weiterhin alles alleine hinbekommen. Nicht einmal einen Pflegegrad wollen meine Eltern für meinen Vater beantragen. Demnächst muss sie für drei Tage ins Krankenhaus. Da werde ich bei Papa sein. Doch, wenn sie wieder zu Hause ist, muss sie sich noch schonen. Ich weiß nicht, wie das gehen soll.“

 

Pflegezeit ist Lebenszeit.

Ihre Demenzberaterin

Demenzberaterin Eva Helms

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